1996 fühlte sich das Bundesministerium für
Umwelt, Jugend und Familie unter der Leitung von Mag. Martin Bartenstein
bemüßigt, eine Broschüre mit dem Namen "SEKTEN - Wissen
schützt!" herauszugeben. (Neuauflage 1999)
Dieser Broschüre muss jedoch jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen
werden. Das "Forum für Religionsfreiheit" hat die
wichtigsten Kritikpunkte daran zusammengefasst:
Die österreichische Verfassung garantiert Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle Staatsbürger. Es ist absolut nicht die Aufgabe des Staates, zu bewerten, welche Religion "gut" oder "schlecht" ist. Genau das passiert jedoch mit dieser "Sektenbroschüre". Religiöse Minderheiten befürchten, dass diese Publikation eine Art
"Judenstern"-Funktion hat und damit eine Diskriminierung von SchülerInnen aus solchen Glaubensgemeinschaften
ausgelöst wird.
Der Inhalt der Broschüre hält nicht, was der Titel verspricht. Wenig Wissen und viel Meinung wird darin vermittelt. Das überrascht jedoch nicht, wenn man weiß, dass keine der darin angeführten Religionsgemeinschaften zwecks Recherchen vom BMUJF kontaktiert wurden. Erst nach intensiver Kritik seitens der Religionsgemeinschaften wurden einige "Irrtümer" in der Neuauflage beseitigt. Diese Vorgangsweise erinnert an eine "geistige Cowboymentalität" (zuerst schießen, dann Fragen stellen) und zeigt eine denkbar schlechte Konfliktbewältigungskultur unserer Politiker: Man spricht nicht miteinander, sondern übereinander.
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GEGEN DAS GLEICHHEITSPRINZIP
Viele Glaubensgemeinschaften sind angeführt, jedoch sämtliche "Sekten" innerhalb der Großkirchen (Opus Dei, Engelwerk, etc.) sowie die evangelikalen Gruppierungen bleiben unerwähnt. Nach welchen Kriterien wird hier kategorisiert? Diese Vorgangsweise unserer "Volksvertreter" löst keine Probleme, trägt aber zur Verbreitung einer feindseligen und konfliktträchtigen Atmosphäre hierzulande bei.
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SATANISTEN NICHT ANGEFÜHRT
Gemäß den Berichten der Bundespolizeidirektion gab es gegen Satanistengrüppchen belastendes Material, das strafrechtlich relevant war. Neue religiöse Bewegungen ("Sekten") sind hier in keinster Weise auffällig. Warum sind aber satanistische Gruppen in dieser Broschüre nicht angeführt? Und warum wird hier vor Religionsgemeinschaften gewarnt, die sich keiner Gesetzesvergehen schuldig gemacht haben?
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SCHLUSSBERICHT DER BONNER ENQUETEKOMMISSION IGNORIERT
Eine von der deutschen Bundesregierung eingesetzte Enquete-Kommission hat Mitte letzten Jahres ihre Arbeit über sog. Sekten und Psychogruppen abgeschlossen. Im Schlussbericht wurde in einer offiziellen Presseaussendung Entwarnung gegeben.
FAZIT: Sekten stellen keine wesentliche Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Sie ruft
außerdem zu einer toleranteren Haltung gegenüber religiösen Minderheiten auf und hat sogar den positiven Einfluss, den viele dieser Gruppierungen auf die moderne Gesellschaft haben können, hervorgehoben. Weiters wurde angeregt, in Zukunft den abwertenden,
negativen Sammelbegriff "Sekte" nicht mehr zu verwenden. Leider hat das österreichische Familienministerium in seiner "Sektenbroschüre" nichts von diesen Erkenntnissen berücksichtigt.
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SERIÖSE STUDIEN IGNORIERT
Die Resultate seriöser Studien, wie zum Beispiel die "Wiener Studie", wurden in dieser Publikation völlig ignoriert. Man fragt sich warum!
Die Identität der Autoren von "Wissen schützt" wird in beiden Ausgaben der Öffentlichkeit vorenthalten.
Eine seriöse Diskussion oder wissenschaftliche Auseinandersetzung
darüber wird nicht zugelassen. Warum?
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ZEUGEN JEHOVAHS TROTZ TEILANERKENNUNG MITEINBEZOGEN
Trotz der erlangten Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft im Rahmen des neuen "Anerkennungsgesetzes" (vom Verfassungsexperten
DDr. Heinz Mayer als "Aberkennungsgesetz" kritisiert), wurden die Zeugen Jehovahs (über 20 000 Mitglieder in Österreich) auch diesmal wieder vom Familienministerium in der Anti-Sekten Broschüre erwähnt und angegriffen.
In der Broschüre werden unter der Rubrik: "Mögliche Konsequenzen für Individuen und Gesellschaft" (S.49-50) in 21 Stichpunkten Konfliktpotentiale aufgezeigt, die in Berührung mit "Sekten" auftreten "können - aber nicht müssen". Diese Punkte sind
größtenteils hypothetischer Natur, widersprechen den Resultaten seriöser Studien und können in einem Worte zusammengefasst werden: Angstmache !!! Der FOREF Redaktion sind Fälle von Diskriminierung (seitens von Mitschülern und auch durch Lehrkräfte) von Schülern, deren Eltern zu religiösen Minderheiten gehören, bekannt. Staatlich sanktionierte (und produzierte) Diskriminierung von Religionsgemeinschaften ist keine Hilfe für Lehrer und Schüler. Vielmehr schafft es Konflikte zwischen Lehrern, Schülern und Familien.
Quellenangaben und Buchtipps (Anhang 1: Weiterführende Literatur) stammen zu über 80% aus dem apologetisch-inquisitorischen Lager der Großkirchen. Außerdem wird ein Buch der amerikanischen
Antikult-"Psychologin" Margaret Singer empfohlen, die wegen Unprofessionalität und Befangenheit schon seit Jahren von US-Gerichten nicht mehr als Beraterin herangezogen wird.
Dr. Bartenstein, der als Initiator von "Wissen schützt" zu sehen ist, hat damit unserer Nation einen "Bärendienst" erwiesen. Er hat nicht nur viele brave österreichische Staatsbürger angegriffen, die sich täglich bemühen ein rechtschaffenes und tugendhaftes Leben zu führen. Indirekt hat er auch deren Glaubensbrüder und -schwestern im Ausland verunglimpft, die in vielen Fällen einer im jeweiligen Land anerkannten und angesehenen Glaubensgemeinschaft angehören. Ein Beispiel dafür ist die buddhistische Laienbewegung
"Soka Gakkai"(S. 47), die in Japan hohes Ansehen genießt und dort sogar Spitzenpolitiker zu ihren Anhängern zählt. Repräsentanten dieser Religion (über 12 Mill. Mitglieder) sind nicht wenig verwundert über die Inquisitionspolitik des österreichischen Familienministeriums.
Nicht zuletzt ist die Sektenphobie unserer Politiker der Grund dafür, dass Österreich dieses Jahr scharfe
Kritik von internationalen Menschenrechtsorganisationen, sowie
von der OSZE und dem US-Statedepartment erntete (nicht Haider alleine ist schuld an unserem schlechten Image). Den Rügen aus aller Welt zum Trotz verstößt das Familienministerium mit dieser Neuauflage der "Sektenbroschüre" gegen alle fünf Forderungen im OSZE-99 Schlussdokument.
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VERSCHWENDUNG ÖFFENTLICHER GELDER
Dieses Projekt hat den Steuerzahlern einige Millionen Schilling
gekostet.
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Kommentar
von Dr. P. Schulte
Dass sich der Staat mit dem Phänomen der neuen Religiosität schwer tut, zeigt sich in der 1998 vom ehemaligen Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie aufgelegten Broschüre "Sekten - Wissen schützt". Obwohl einleitend eine Auflistung sowohl gesetzlich anerkannter Kirchen als auch der durch das
Bekenntnis- gemeinschaftengesetz von 1998 anerkannten Bekenntnisgemeinschaften erfolgt, so bleibt doch für mich die Frage offen, ob es ausreichend ist, die im
Anschluss exemplarisch ausgewählten "Sekten" unter dem Aspekt der Prävention abzuhandeln. Hier würde ich mir als Leser wünschen, dass die eventuellen Gefahren konkretisiert und auch mit Beispielen untermauert werden. Leider bleibt für mich nur der Eindruck zurück, dass all diejenigen religiösen Gruppen, welche keine staatliche Anerkennung genießen, mit Vorsicht zu genießen sind. Wird in so einem Fall nicht eine Unterscheidung in Gut und Böse vorgenommen, welche manchen "Sekten" unterstellt wird? Und letztendlich, gibt es nicht auch sektenähnliche Züge in traditionellen Kirchen, die ähnlich gelagert und zu betrachten sind? Es ist zugegebenermaßen unbequem und oft auch schmerzhaft solche Fragen zu stellen, aber es ist genauso schmerzhaft zu sehen, wie aufrichtige und rechtschaffene Menschen, welche ihren persönlichen Weg religiöser Entfaltung suchen, nicht ernst genommen und unter dem Vorwurf der psychischen Manipulation als "Irrläufer" abqualifiziert werden.
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