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     Ein
  vom Land Steiermark geförderter Sektenaufklärer publizierte in dubiosen,
  mitunter neosatanistischen Blättern. Von Guido Grandt und Thomas Hofer
Der Mann ist vom Fach. Als in den achtziger Jahren in den
  USA eine Umsiedlung von Indianern drohte, schritt Roman Schweidlenka in Wien
  zur Tat: „Uns blieb nichts anderes übrig, als uns dem Schutzgeist der
  Noreia, der Fortuna Conservatrix intensiv anzuvertrauen: dass sie als rettende
  Schicksalsgöttin ihre heilenden Energien über die Schlangenpfade der Erde
  von ihrem Kraftort Wien nach Big Mountain zur Verhinderung der
  Zwangsdeportation senden möge.“ Schweidlenka schwärmte auch vom „geomantischen
  Kraftraum der Wiener Hofburg“, den schon Adolf Hitler und „seine
  Mannschaft“ zu nutzen wussten.
 
 Seit einigen Jahren ist Schweidlenka, 49, mit seinem „Eso-Informationsdienst“
  in der Steiermark über den Jugenddienst „Logo“ für das Land Steiermark
  als Sekten-, Satanismus- und Esoterikspezialist tätig. profil vorliegenden
  Informationen zufolge bekommt er für seine Aufklärungstätigkeit in diesen
  Bereichen vom Land etwa 35.000 Euro jährlich, dazu kommen zahlreiche Vorträge
  und seit kurzem ein Lehrauftrag an der pädagogischen Akademie. Unter
  Ex-Familienminister Martin Bartenstein wurde Schweidlenka ebenfalls gefördert,
  mittlerweile hat der Bund seine Förderungen auf die Bundesstelle für
  Sektenfragen reduziert – im Internet wird aber weiter auf Schweidlenkas
  Institut verwiesen.
 
 Nimmt man die Tätigkeit Schweidlenkas neben seiner Arbeit als Berater unter
  die Lupe, erscheinen diese Zuwendungen zumindest hinterfragenswert. Vor allem
  bei Kollegen Schweidlenkas sorgt seine offizielle Beraterfunktion für Unmut.
  Denn Schweidlenkas Bericht über die „Erdmutter Noreia“ ist beileibe nicht
  seine einzige seltsame Publikation in Sachen Esoterik & Co.
 
 Vor und teilweise auch während seiner Tätigkeit als Aufklärer publizierte
  der Historiker in esoterischen Blättern wie „Die andere Realität“, „esotera“,
  „PanGaia“ oder „hag & hexe“, dem „Magazin für Schamanismus,
  Magie und Naturreligion“.
 
 Dubiose Artikel
 
 Noch im Gründungsjahr seiner Beratungsstelle verteidigte Schweidlenka etwa in
  „esotera“ den umstrittenen Esoteriker Tom Hockemeyer unter dem Titel
  „Hexenjagd auf Esoteriker“. Gegen Hockemeyer hatten jüdische Gemeinden
  Anzeige erstattet, unter anderem weil dieser Auschwitz als vorbestimmtes
  karmisches Schicksal der Juden interpretiert hatte.
 
 Besonders pikant erscheint, dass Schweidlenka vor mehreren Jahren im
  neosatanistischen Magazin „Abrahadabra“ („AHA“), dem „Magazin des
  neuen Äons“, publizierte. Im selben Zeitraum wie Schweidlenka schrieb auch
  der frühere Großmeister der sexualmagischen Okkult-Loge „Fraternitas
  Saturni“, Walter Jantschik, der sowohl für Tier- als auch für
  Menschenopferungen eintritt, in „AHA“.
 
 Schweidlenka selbst relativiert seine publizistische Tätigkeit für dieses
  Magazin. Er behauptet gegenüber profil: „Ich wusste nichts vom
  neosatanistischen Hintergrund des Magazins. Ich habe mir das erst später
  angeschaut.“ Auch für die anderen Blätter schreibt Schweidlenka „schon
  seit einiger Zeit“ nicht mehr. Schweidlenka: „Ich habe selbst mit
  Spiritualität experimentiert. Mit den Artikeln habe ich versucht, in der
  Szene zu wirken. Nun hat sich bei mir die Erkenntnis durchgesetzt, dass das
  keinen Sinn mehr hat, weil man dabei vielleicht vereinnahmt wird.“
 
 Vieles in seinen Texten – in seinem affirmativen Buch über den heftig
  umstrittenen und auf germanische und keltische Traditionen zurückgehenden
  Bioregionalismus findet sich auch eine „Durchgabe“ Albert Einsteins aus
  dem Jenseits – sei ohnehin „niemals todernst“ (Schweidlenka) gemeint
  gewesen.
 
 Bei Beraterkollegen wie Peter Hosak vom Grazer Verein „Netzwerk – Verein für
  Sekten- und Kultfragen“ stößt das auf wenig Verständnis. Hosak, der vom
  „selbst ernannten Sektenexperten Schweidlenka“ spricht und diesem auch
  mangelnde fachliche Kompetenz vorwirft, hat nach eigenen Angaben die
  steirische Landesregierung über seine Bedenken informiert.
 
 Im Büro des für Schweidlenkas Förderung zuständigen Jugendlandesrates
  Hermann Schützenhöfer (ÖVP) gibt man sich von den Anschuldigungen dennoch
  überrascht. „Wenn es Vorwürfe gibt, sind sie ernst zu nehmen. Wir werden
  Schweidlenkas Tätigkeit sicher prüfen.“
 
 Konrad
  Paul Liessmann, Philosoph und Kulturkritiker
  
   DER
  STANDARD, 15.11.96 
  
    
  
   Österreich,
  so sagt man, benötige einige Modernisierungsschübe. In der Regel meint man
  damit, daß mehr Glasfaserkabel verlegt und mehr Handys verkauft werden
  sollen. Daß auch so etwas wie eine geistige Modernisierung und Mobilität
  geboten sein könnte, kommt selten in den Sinn. Beobachtet man die
  intellektuellen Debatten, kommt man manchmal zu dem Schluß, daß mit der
  Modernisierung, das heißt mit der Aufklärung, überhaupt erst einmal
  begonnen werden muß.
  
   ...
  
   Ein
  weiteres Beispiel für den Nachholbedarf in Sachen demokratischer Grundrechte
  ist die Angst durch eine warnende Broschüre des Jugend‑ und
  Familienministeriums provozierte Diskussion über Sekten. Daß in der
  Fernsehsendung “Zur Sache” ausgerechnet ein Vertreter der katholischen
  Kirche den Sekten unwidersprochen vorwerfen durfte, ihnen gehe es nicht nur um
  spirituelle Angelegenheiten, sondern auch um Macht und Geld, und ihre Lehren
  fußten nicht immer auf der Vernunft, konnte noch als unfreiwillige
  Selbstentlarvung gewertet werden. Aber daß der Staat überhaupt sich genötigt
  sieht, seine Bürger zu “informieren”, wo sie ihre metaphysischen Bedürfnisse
  eher nicht befriedigen sollten, zeigt eine bedenkliche Auffassung von dem, was
  unter Glaubensfreiheit zu verstehen ist.
  
    
  
   Nebenbei:
  Wer je erlebt hat, wie ein weltberühmter Manager‑Ausbildner vor einer
  andächtig und ergriffen lauschenden Gruppe schwer zahlender Führungskräfte
  schwachsinnige Overhead‑Folien auflegte, weiß was ein Guru ist - dazu
  bedarf es keiner Reise nach Indien. Davor allerdings warnt der Minister, der
  ansonsten viel auf seine Zivilcourage hält, nicht.
  
    
  
   Um
  nicht mißverstanden zu werden: Natürlich würde der Autor am liebsten in
  einer Gesellschaft leben, in der das Bedürfnis nach transzendentem Sinn gar
  nicht erst entstünde, weil das Leben genug immanenten Sinn böte. So lange
  aber die Verhältnisse so sind, daß für viele das, was ist, nicht alles sein
  kann - nicht zuletzt, weil es zuwenig ist - sollten die Menschen, wenn sie
  schon auf das volkseigene Opium zurückgreifen wollen, bei der Sorte auch
  freie Wahl haben.
  
    
  
   Fernab
  davon, in amerikanischen Verhältnissen eine generelle Lösung für die
  Probleme spätindustrieller Gesellschaften zu sehen, täte vielleicht gerade
  in Sachen politischer Meinungsfreiheit und religiöser Glaubensfreiheit ein
  Blick über den großen Teich doch ganz gut. Mit dem Argument, daß wir eine
  andere Geschichte hätten und unsere Demokratie wehrhaft sein müsse, wird man
  nicht ewig hantieren können. 
  
    
  
   Vom
  Rechthaben und vom Ausgrenzen: Nur die richtige Meinung zählt? Geben Sie
  Gedankenfreiheit, Sire! Zum Stand der geistigen Modernisierung in Österreich 
  
    
  
   
 
  Josef
  Bruckmoser 
  
   SALZBURGER
  NACHRICHTEN, 23. 6. 1997
  
    
  
   In
  Österreich spitzt sich die Auseinandersetzung um "Sekten" zu. Die
  größte Schwierigkeit dabei ist, daß der Begriff selbst bei weitem nicht
  mehr alles abdeckt, was damit bezeichnet wird. Die "Zeugen Jehovas"
  etwa, die ihre staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft durchsetzen
  wollen, und die Scientology‑Organisation, die sich selbst vor allem aus
  steuerlichen Gründen als Religion deklariert, sind nicht vergleichbar. Daher
  ist es nur verwirrend, sie beide unter demselben Begriff 
  "Sekte" abzuhandeln.
  
    
  
   Abgesehen
  davon hat eine demokratische Gesellschaft das Recht, sich vor totalitären
  Organisationen zu schützen. Daher kann nicht jede Gemeinschaft, die sich
  Religion nennt, sofort den Anspruch erheben, staatlich als Religion anerkannt
  zu werden.
  
    
  
   Andererseits
  muß eine demokratische Gesellschaft das Menschenrecht auf freie Religionsausübung
  und den Schutz von Minderheiten so großzügig wie möglich auslegen. Nicht
  jeder Mensch, der sich "sektiererisch" absondert, ist deshalb schon
  eine Gefahr für einzelne oder für den ganzen Staat.
  
    
  
   Für
  jeden einzelnen, und sei er ein "Sektierer", gilt bis zum Beweis des
  Gegenteils die Unschuldsvermutung.
  
    
  
   Kommentar
  "Sektierer" ist nicht gleich "Sektierer"
  
    
  
    
  
   Nadine
  Hauer
  
   DIE
  FURCHE, 16.5.1996
  
   ...
  
   Auch
  für den Sprach- und Religionswissenschafter Michael von Brück aus München,
  der in Indien, Japan und Texas lehrte, gilt: Religion in einer pluralistischen
  Gesellschaft ist in erster Linie eine gesellschaftspolitische Frage. Und er plädiert,
  um den notwendigen interreligiösen Diskurs beginnen zu können, für eine
  “Hygiene der Sprache”. “Sekten” etwa gebe es ja nur in Bezug auf
  dominante Gruppen, die es in einer pluralistischen Gesellschaft nicht geben
  sollte, und jede Religion sei ein “Psychokult”, der Unterschied liege nur
  im Wie. Und nicht zuletzt sollte der Begriff “Religion” vorsichtiger
  gehandhabt werden, da es keine Instanz für die Definition von Religion gibt.
  
   ...
  
   In
  der Diskussion wurde deutlich, daß der interreligiöse Dialog in Österreich
  noch in den  Kinderschuhen steckt, nicht nur im Vergleich mit den USA und
  England, sondern auch mit Deutschland. Als weltweites Problem nannten alle die
  Medien: Sensationslust, Vorurteile, Klischees und Unwissen dominieren die
  Berichterstattung und schaden dem Religionspluralismus, der mühsam an der
  Basis im Entstehen ist.
  
   ...
  
   Dialog
  der Religionen, Grundlagen für einen religiösen Pluralismus
  
    
  
    
  
   
 
  Adolf
  Holl, Helmut Schüller 
  
   NEWS,
  35/97
  
   ...
  
   Holl:
  Auch in Österreich
  interessieren sich viele Menschen zunehmend für religiöse Gruppierungen, die
  nicht im herkömmlichen Sinn christlich sind. Wir finden hier einen Leerraum
  vor und das ist nicht zufällig. Die Verringerung der konfessionellen Zugehörigkeiten
  in Österreich ist unumkehrbar. Die Leerräume werden besetzt. Konkurrenz
  zieht ein. Zehntausende Religionsagenturen werden weltweit um einen Markt kämpfen,
  der noch größer werden wird.
  
    
  
   Schüller:
  Die Lehre der Sekten ist manchmal ziemlich banal. Aber viele gehen dorthin,
  weil ihnen der Guru sagt, wo oben und unten, rechts und links ist, was er
  lesen muß und was nicht, was er machen soll und was nicht, was weiß und was
  schwarz ist. Es ist eine riesige Sehnsucht da, daß das Leben einfacher wird.
  
    
  
   Holl:
  Daß die
  Menschen in der katholischen Kirche keine Autorität finden, bezweifle ich.
  Deswegen rennen uns die Leute nicht davon. Sie finden keine religiöse
  Erfahrung mehr. Deswegen rennen sie weg.
  
   ...
  
   Wer
  ist Gott? Adolf Holl, Günther Nenning, Helmut Schüller und Alfred Worm
  diskutieren über Gott und die Zukunft der Kirche
  
    
  
    
  
   Günther
  Nenning
  
   NEWS,
  35/97
  
   ...
  
   These
  3: 'Konservative' wie 'Progressive' treiben in seltener Gemeinsamkeit die
  Sehnsüchtigen weg von der Kirche und hin zu den Sekten, Esoterik, Buddhismus,
  Islam. An den Sekten sind nicht die Sekten schuld, sondern die Christen. Die
  diversen Sektenreferate der Kirche(n) sollten,
  
   statt
  auf der Gefährlichkeit der Sekten herumzureiten, lieber mit der offensiven
  Verbreitung des wahren Christentums sich befassen. Mir fehlen die christlichen
  Harekrishnas in allen Gassen. Pfui, die Sekten sind Menschenfänger. Aber
  genau das sollen die Christen doch auch sein.
  
   ...
  
   Vorabdruck
  des Buches “Gott ist verrückt - Die Zukunft der Religion”
  
    
  
    
  
   Georg
  Hoffmann-Ostenhof
  
   PROFIL,
  25.8.1997
  
   ...
  
   Wie
  kann man eine Politik, die sich so stark von der Realität entfernt,
  bezeichnen? Gemeinhin würde man sagen: Sie ist sektiererisch.
  
    
  
   
 Vielleicht
erklärt sich aus dieser Entwicklung der ÖVP der Eifer, mit dem sie in den
letzten Monaten gegen die Sekten hetzt. Man braucht kein amerikanischer Libertärer
sein, um ein ungutes Gefühl zu bekommen, wenn man sieht, mit welcher Inbrunst
die Kampagne gegen die Andersgläubigen geführt wird. Die politischen Gralshüter
vermeintlicher christlicher Grundwerte behandeln die - keineswegs sympathischen
- religiösen oder parareligiösen Vereine von Scientology bis zu den Zeugen
Jehovas, von fernöstlichen Esoterikern bis zu Psycho-Sekten, als ob sie
wirklich eine Bedrohung der Gesellschaft und des Staates darstellten. Gibt es
denn nicht genügend Paragraphen im Strafgesetz, die gegen kriminelle Handlungen
anwendbar sind, wenn sie einmal im Zusammenhang mit Sekten passieren?
 ...
 Die
ÖVP macht scharf gegen Obskuranten-Vereine wie Scientology - entwickelt sie
sich aber nicht selbst zu einer Art Sekte? Vom patriotischen Beischlaf 
  
  
 Otto Friedrich
 DIE
FURCHE, 31. 7. 1997
 ...
 Der
Blick in andere Zusammenhänge zeigt, daß die Sektendiskussion nicht nur
hierzulande im Schwange ist: So war das Stichwort “Sekten” während der 
Ökumenischen Versammlung in Graz ausgesprochen und unausgesprochen präsent.
Vor allem die Aktivität religiöser Gruppierungen unterschiedlicher Provenienz
in der ehemaligen Sowjetunion ließ die Zornesadern auf orthodoxen Stirnen
ordentlich anschwellen. Gemeint waren nicht nur Scientology & Co: Kleinere
protestantische Kirchen wie die Methodisten gehören in dieser
Sichtweise ganz selbstverständlich zur
Sektenszene. Walter Klaiber, deutscher Methodistenbischof, beklagte erst kürzlich
in einem Interview für den “Rheinischen Merkur”, daß sogar in deutschen
Medien seine Kirche unter “Sekten” subsumiert werde.
  
 Dort
wo die katholische Kirche klein und aufstrebend ist, gerät sie selbst unter
Verdacht. Auch dies war in Graz zu spüren: Wenn Russisch-Orthodoxe sich über
Sekten ärgerten, waren die Katholiken oft mitgemeint. Das kürzlich von Präsident
Jelzin nicht unterzeichnete Religionsgesetz Rußlands ist jedenfalls gerade vor
dem Hintergrund der Sektenproblematik zu verstehen.
 Für
die heimische Diskussion folgt daraus einerseits die Forderung nach größtmöglicher
Differenzierung;  jede Gruppe muß für
sich bewertet werden - und nicht aufgrund der Punzierung als “Sekte” an
sich. 
 ...
 Andererseits
sind die Verhältnisse im Osten Europas bloß ein krasses Beispiel der
allgemeinen Verhältnisse: Etablierte Institutionen sind Konkurrenz ausgesetzt
und müssen sich bewähren. Nur auf die Geschichte zu pochen, reicht nicht aus:
Wer etwa von der russischen Orthodoxie verlangt, sie müsse auch andere religiöse
Realitäten akzeptieren, darf nicht im eigenen Bereich ähnliche
Verhaltensmuster zeigen.
 ...
 Religion
im säkularen Staat - Toleranz und Wachsamkeit
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