"Sekten" in den Medien

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Teufelszeug

Ein vom Land Steiermark geförderter Sektenaufklärer publizierte in dubiosen, mitunter neosatanistischen Blättern.
Von Guido Grandt und Thomas Hofer

Profil,  Ausgabe 17/2002


Der Mann ist vom Fach. Als in den achtziger Jahren in den USA eine Umsiedlung von Indianern drohte, schritt Roman Schweidlenka in Wien zur Tat: „Uns blieb nichts anderes übrig, als uns dem Schutzgeist der Noreia, der Fortuna Conservatrix intensiv anzuvertrauen: dass sie als rettende Schicksalsgöttin ihre heilenden Energien über die Schlangenpfade der Erde von ihrem Kraftort Wien nach Big Mountain zur Verhinderung der Zwangsdeportation senden möge.“ Schweidlenka schwärmte auch vom „geomantischen Kraftraum der Wiener Hofburg“, den schon Adolf Hitler und „seine Mannschaft“ zu nutzen wussten.

Seit einigen Jahren ist Schweidlenka, 49, mit seinem „Eso-Informationsdienst“ in der Steiermark über den Jugenddienst „Logo“ für das Land Steiermark als Sekten-, Satanismus- und Esoterikspezialist tätig. profil vorliegenden Informationen zufolge bekommt er für seine Aufklärungstätigkeit in diesen Bereichen vom Land etwa 35.000 Euro jährlich, dazu kommen zahlreiche Vorträge und seit kurzem ein Lehrauftrag an der pädagogischen Akademie. Unter Ex-Familienminister Martin Bartenstein wurde Schweidlenka ebenfalls gefördert, mittlerweile hat der Bund seine Förderungen auf die Bundesstelle für Sektenfragen reduziert – im Internet wird aber weiter auf Schweidlenkas Institut verwiesen.

Nimmt man die Tätigkeit Schweidlenkas neben seiner Arbeit als Berater unter die Lupe, erscheinen diese Zuwendungen zumindest hinterfragenswert. Vor allem bei Kollegen Schweidlenkas sorgt seine offizielle Beraterfunktion für Unmut. Denn Schweidlenkas Bericht über die „Erdmutter Noreia“ ist beileibe nicht seine einzige seltsame Publikation in Sachen Esoterik & Co.

Vor und teilweise auch während seiner Tätigkeit als Aufklärer publizierte der Historiker in esoterischen Blättern wie „Die andere Realität“, „esotera“, „PanGaia“ oder „hag & hexe“, dem „Magazin für Schamanismus, Magie und Naturreligion“.

Dubiose Artikel

Noch im Gründungsjahr seiner Beratungsstelle verteidigte Schweidlenka etwa in „esotera“ den umstrittenen Esoteriker Tom Hockemeyer unter dem Titel „Hexenjagd auf Esoteriker“. Gegen Hockemeyer hatten jüdische Gemeinden Anzeige erstattet, unter anderem weil dieser Auschwitz als vorbestimmtes karmisches Schicksal der Juden interpretiert hatte.

Besonders pikant erscheint, dass Schweidlenka vor mehreren Jahren im neosatanistischen Magazin „Abrahadabra“ („AHA“), dem „Magazin des neuen Äons“, publizierte. Im selben Zeitraum wie Schweidlenka schrieb auch der frühere Großmeister der sexualmagischen Okkult-Loge „Fraternitas Saturni“, Walter Jantschik, der sowohl für Tier- als auch für Menschenopferungen eintritt, in „AHA“.

Schweidlenka selbst relativiert seine publizistische Tätigkeit für dieses Magazin. Er behauptet gegenüber profil: „Ich wusste nichts vom neosatanistischen Hintergrund des Magazins. Ich habe mir das erst später angeschaut.“ Auch für die anderen Blätter schreibt Schweidlenka „schon seit einiger Zeit“ nicht mehr. Schweidlenka: „Ich habe selbst mit Spiritualität experimentiert. Mit den Artikeln habe ich versucht, in der Szene zu wirken. Nun hat sich bei mir die Erkenntnis durchgesetzt, dass das keinen Sinn mehr hat, weil man dabei vielleicht vereinnahmt wird.“

Vieles in seinen Texten – in seinem affirmativen Buch über den heftig umstrittenen und auf germanische und keltische Traditionen zurückgehenden Bioregionalismus findet sich auch eine „Durchgabe“ Albert Einsteins aus dem Jenseits – sei ohnehin „niemals todernst“ (Schweidlenka) gemeint gewesen.

Bei Beraterkollegen wie Peter Hosak vom Grazer Verein „Netzwerk – Verein für Sekten- und Kultfragen“ stößt das auf wenig Verständnis. Hosak, der vom „selbst ernannten Sektenexperten Schweidlenka“ spricht und diesem auch mangelnde fachliche Kompetenz vorwirft, hat nach eigenen Angaben die steirische Landesregierung über seine Bedenken informiert.

Im Büro des für Schweidlenkas Förderung zuständigen Jugendlandesrates Hermann Schützenhöfer (ÖVP) gibt man sich von den Anschuldigungen dennoch überrascht. „Wenn es Vorwürfe gibt, sind sie ernst zu nehmen. Wir werden Schweidlenkas Tätigkeit sicher prüfen.“


Konrad Paul Liessmann, Philosoph und Kulturkritiker

DER STANDARD, 15.11.96

 

Österreich, so sagt man, benötige einige Modernisierungsschübe. In der Regel meint man damit, daß mehr Glasfaserkabel verlegt und mehr Handys verkauft werden sollen. Daß auch so etwas wie eine geistige Modernisierung und Mobilität geboten sein könnte, kommt selten in den Sinn. Beobachtet man die intellektuellen Debatten, kommt man manchmal zu dem Schluß, daß mit der Modernisierung, das heißt mit der Aufklärung, überhaupt erst einmal begonnen werden muß.

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Ein weiteres Beispiel für den Nachholbedarf in Sachen demokratischer Grundrechte ist die Angst durch eine warnende Broschüre des Jugend‑ und Familienministeriums provozierte Diskussion über Sekten. Daß in der Fernsehsendung “Zur Sache” ausgerechnet ein Vertreter der katholischen Kirche den Sekten unwidersprochen vorwerfen durfte, ihnen gehe es nicht nur um spirituelle Angelegenheiten, sondern auch um Macht und Geld, und ihre Lehren fußten nicht immer auf der Vernunft, konnte noch als unfreiwillige Selbstentlarvung gewertet werden. Aber daß der Staat überhaupt sich genötigt sieht, seine Bürger zu “informieren”, wo sie ihre metaphysischen Bedürfnisse eher nicht befriedigen sollten, zeigt eine bedenkliche Auffassung von dem, was unter Glaubensfreiheit zu verstehen ist.

 

Nebenbei: Wer je erlebt hat, wie ein weltberühmter Manager‑Ausbildner vor einer andächtig und ergriffen lauschenden Gruppe schwer zahlender Führungskräfte schwachsinnige Overhead‑Folien auflegte, weiß was ein Guru ist - dazu bedarf es keiner Reise nach Indien. Davor allerdings warnt der Minister, der ansonsten viel auf seine Zivilcourage hält, nicht.

 

Um nicht mißverstanden zu werden: Natürlich würde der Autor am liebsten in einer Gesellschaft leben, in der das Bedürfnis nach transzendentem Sinn gar nicht erst entstünde, weil das Leben genug immanenten Sinn böte. So lange aber die Verhältnisse so sind, daß für viele das, was ist, nicht alles sein kann - nicht zuletzt, weil es zuwenig ist - sollten die Menschen, wenn sie schon auf das volkseigene Opium zurückgreifen wollen, bei der Sorte auch freie Wahl haben.

 

Fernab davon, in amerikanischen Verhältnissen eine generelle Lösung für die Probleme spätindustrieller Gesellschaften zu sehen, täte vielleicht gerade in Sachen politischer Meinungsfreiheit und religiöser Glaubensfreiheit ein Blick über den großen Teich doch ganz gut. Mit dem Argument, daß wir eine andere Geschichte hätten und unsere Demokratie wehrhaft sein müsse, wird man nicht ewig hantieren können.

 

Vom Rechthaben und vom Ausgrenzen: Nur die richtige Meinung zählt? Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire! Zum Stand der geistigen Modernisierung in Österreich

 


Josef Bruckmoser

SALZBURGER NACHRICHTEN, 23. 6. 1997

 

In Österreich spitzt sich die Auseinandersetzung um "Sekten" zu. Die größte Schwierigkeit dabei ist, daß der Begriff selbst bei weitem nicht mehr alles abdeckt, was damit bezeichnet wird. Die "Zeugen Jehovas" etwa, die ihre staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft durchsetzen wollen, und die Scientology‑Organisation, die sich selbst vor allem aus steuerlichen Gründen als Religion deklariert, sind nicht vergleichbar. Daher ist es nur verwirrend, sie beide unter demselben Begriff  "Sekte" abzuhandeln.

 

Abgesehen davon hat eine demokratische Gesellschaft das Recht, sich vor totalitären Organisationen zu schützen. Daher kann nicht jede Gemeinschaft, die sich Religion nennt, sofort den Anspruch erheben, staatlich als Religion anerkannt zu werden.

 

Andererseits muß eine demokratische Gesellschaft das Menschenrecht auf freie Religionsausübung und den Schutz von Minderheiten so großzügig wie möglich auslegen. Nicht jeder Mensch, der sich "sektiererisch" absondert, ist deshalb schon eine Gefahr für einzelne oder für den ganzen Staat.

 

Für jeden einzelnen, und sei er ein "Sektierer", gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung.

 

Kommentar "Sektierer" ist nicht gleich "Sektierer"

 

 

Nadine Hauer

DIE FURCHE, 16.5.1996

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Auch für den Sprach- und Religionswissenschafter Michael von Brück aus München, der in Indien, Japan und Texas lehrte, gilt: Religion in einer pluralistischen Gesellschaft ist in erster Linie eine gesellschaftspolitische Frage. Und er plädiert, um den notwendigen interreligiösen Diskurs beginnen zu können, für eine “Hygiene der Sprache”. “Sekten” etwa gebe es ja nur in Bezug auf dominante Gruppen, die es in einer pluralistischen Gesellschaft nicht geben sollte, und jede Religion sei ein “Psychokult”, der Unterschied liege nur im Wie. Und nicht zuletzt sollte der Begriff “Religion” vorsichtiger gehandhabt werden, da es keine Instanz für die Definition von Religion gibt.

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In der Diskussion wurde deutlich, daß der interreligiöse Dialog in Österreich noch in den  Kinderschuhen steckt, nicht nur im Vergleich mit den USA und England, sondern auch mit Deutschland. Als weltweites Problem nannten alle die Medien: Sensationslust, Vorurteile, Klischees und Unwissen dominieren die Berichterstattung und schaden dem Religionspluralismus, der mühsam an der Basis im Entstehen ist.

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Dialog der Religionen, Grundlagen für einen religiösen Pluralismus

 

 


Adolf Holl, Helmut Schüller

NEWS, 35/97

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Holl: Auch in Österreich interessieren sich viele Menschen zunehmend für religiöse Gruppierungen, die nicht im herkömmlichen Sinn christlich sind. Wir finden hier einen Leerraum vor und das ist nicht zufällig. Die Verringerung der konfessionellen Zugehörigkeiten in Österreich ist unumkehrbar. Die Leerräume werden besetzt. Konkurrenz zieht ein. Zehntausende Religionsagenturen werden weltweit um einen Markt kämpfen, der noch größer werden wird.

 

Schüller: Die Lehre der Sekten ist manchmal ziemlich banal. Aber viele gehen dorthin, weil ihnen der Guru sagt, wo oben und unten, rechts und links ist, was er lesen muß und was nicht, was er machen soll und was nicht, was weiß und was schwarz ist. Es ist eine riesige Sehnsucht da, daß das Leben einfacher wird.

 

Holl: Daß die Menschen in der katholischen Kirche keine Autorität finden, bezweifle ich. Deswegen rennen uns die Leute nicht davon. Sie finden keine religiöse Erfahrung mehr. Deswegen rennen sie weg.

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Wer ist Gott? Adolf Holl, Günther Nenning, Helmut Schüller und Alfred Worm diskutieren über Gott und die Zukunft der Kirche

 

 

Günther Nenning

NEWS, 35/97

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These 3: 'Konservative' wie 'Progressive' treiben in seltener Gemeinsamkeit die Sehnsüchtigen weg von der Kirche und hin zu den Sekten, Esoterik, Buddhismus, Islam. An den Sekten sind nicht die Sekten schuld, sondern die Christen. Die diversen Sektenreferate der Kirche(n) sollten,

statt auf der Gefährlichkeit der Sekten herumzureiten, lieber mit der offensiven Verbreitung des wahren Christentums sich befassen. Mir fehlen die christlichen Harekrishnas in allen Gassen. Pfui, die Sekten sind Menschenfänger. Aber genau das sollen die Christen doch auch sein.

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Vorabdruck des Buches “Gott ist verrückt - Die Zukunft der Religion”

 

 

Georg Hoffmann-Ostenhof

PROFIL, 25.8.1997

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Wie kann man eine Politik, die sich so stark von der Realität entfernt, bezeichnen? Gemeinhin würde man sagen: Sie ist sektiererisch.

 


Vielleicht erklärt sich aus dieser Entwicklung der ÖVP der Eifer, mit dem sie in den letzten Monaten gegen die Sekten hetzt. Man braucht kein amerikanischer Libertärer sein, um ein ungutes Gefühl zu bekommen, wenn man sieht, mit welcher Inbrunst die Kampagne gegen die Andersgläubigen geführt wird. Die politischen Gralshüter vermeintlicher christlicher Grundwerte behandeln die - keineswegs sympathischen - religiösen oder parareligiösen Vereine von Scientology bis zu den Zeugen Jehovas, von fernöstlichen Esoterikern bis zu Psycho-Sekten, als ob sie wirklich eine Bedrohung der Gesellschaft und des Staates darstellten. Gibt es denn nicht genügend Paragraphen im Strafgesetz, die gegen kriminelle Handlungen anwendbar sind, wenn sie einmal im Zusammenhang mit Sekten passieren?

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Die ÖVP macht scharf gegen Obskuranten-Vereine wie Scientology - entwickelt sie sich aber nicht selbst zu einer Art Sekte? Vom patriotischen Beischlaf

 

 

Otto Friedrich

DIE FURCHE, 31. 7. 1997

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Der Blick in andere Zusammenhänge zeigt, daß die Sektendiskussion nicht nur hierzulande im Schwange ist: So war das Stichwort “Sekten” während der  Ökumenischen Versammlung in Graz ausgesprochen und unausgesprochen präsent. Vor allem die Aktivität religiöser Gruppierungen unterschiedlicher Provenienz in der ehemaligen Sowjetunion ließ die Zornesadern auf orthodoxen Stirnen ordentlich anschwellen. Gemeint waren nicht nur Scientology & Co: Kleinere protestantische Kirchen wie die Methodisten gehören in dieser Sichtweise ganz selbstverständlich zur Sektenszene. Walter Klaiber, deutscher Methodistenbischof, beklagte erst kürzlich in einem Interview für den “Rheinischen Merkur”, daß sogar in deutschen Medien seine Kirche unter “Sekten” subsumiert werde.

 

Dort wo die katholische Kirche klein und aufstrebend ist, gerät sie selbst unter Verdacht. Auch dies war in Graz zu spüren: Wenn Russisch-Orthodoxe sich über Sekten ärgerten, waren die Katholiken oft mitgemeint. Das kürzlich von Präsident Jelzin nicht unterzeichnete Religionsgesetz Rußlands ist jedenfalls gerade vor dem Hintergrund der Sektenproblematik zu verstehen.

Für die heimische Diskussion folgt daraus einerseits die Forderung nach größtmöglicher Differenzierung;  jede Gruppe muß für sich bewertet werden - und nicht aufgrund der Punzierung als “Sekte” an sich.

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Andererseits sind die Verhältnisse im Osten Europas bloß ein krasses Beispiel der allgemeinen Verhältnisse: Etablierte Institutionen sind Konkurrenz ausgesetzt und müssen sich bewähren. Nur auf die Geschichte zu pochen, reicht nicht aus: Wer etwa von der russischen Orthodoxie verlangt, sie müsse auch andere religiöse Realitäten akzeptieren, darf nicht im eigenen Bereich ähnliche Verhaltensmuster zeigen.

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Religion im säkularen Staat - Toleranz und Wachsamkeit

 

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